Das diesjährige Sommerlochthema ist da

August 08, 2019

Es ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch, Wurst und Milch. Auf den ersten Blick scheint die Rechnung einfach: teureres Fleisch = weniger Verbrauch = weniger Tierleid & besserer Umweltschutz. Und ja, es müsste in der Tat jedem klar sein, dass es nichts mit artgerechter Tierhaltung, nachhaltiger Landwirtschaft und gesunden Lebensmitteln zu tun hat, wenn das Kilo Hackfleisch beim Discounter für 2,99 verramscht wird. Gute Gründe dafür, warum sich immer mehr Menschen bewusst entscheiden weniger Fleisch zu essen oder darauf gleich ganz zu verzichten.

Doch geht die Mehrwertsteuer-Rechnung auf? Wie sehen die Fakten aus?

Wir haben in Deutschland derzeit einen deutlich zurückgehenden Fleischkonsum. Dennoch steigt die Fleischproduktion. Das Fleisch (vor allem Schwein) geht zunehmend in andere Länder. Vor allem der Export nach Asien wächst, da dort der steigende Konsum vor Ort nicht gedeckt werden kann. Eine Erhöhung der deutschen Mehrwertsteuer würde daran überhaupt nichts ändern. Es würde womöglich hierzulande tatsächlich etwas weniger Fleisch verzehrt, wobei sich überzeugte Fleischesser mit höherem Einkommen davon voraussichtlich wenig beeindrucken lassen. Im Gegenzug steigen jedoch die Exporte weiter. Es würden weder die Mastzahlen in Deutschland sinken, noch würden sich die Lebensbedingungen der Tiere auch nur einen Deut bessern. Und die Umwelt entlastet es mit Sicherheit auch nicht, wenn noch mehr Schlachttiere um den ganzen Globus gekarrt werden.

Der Mehrwertsteuervorschlag ist einfach der Irrglaube, dass sich Umweltschutz oder ein Verhalten dass man für moralisch richtig hält über Marktmechanismen erreichen lässt: wenn der Preis steigt, sinkt einfach die Nachfrage. Aber das funktioniert nicht, da es die eigentlichen Missstände nicht ändert. Der Druck wirkt nur bei denen, die ohnehin wenig Geld haben. Eine solche Steuererhöhung würde deshalb auch die soziale Frage stellen.

Es mögen jedes Mal nur ein paar Cent sein, das oben benannte Hackfleischbeispiel würde um rund 33 Cent teurer, der Liter Milch würde im Schnitt um 8-10 Cent teurer. Vielen wird das nicht wehtun. Sie werden es nicht mal wirklich merken, wenn daneben die Flug-Mango aus Thailand, die Avocado für die in Mittelamerika Urwälder gerodet wurden oder der überteuerte aber moderne Espresso in den bunten Metallkapseln im Einkaufswagen liegt, der zu einem größeren Teil aus Verpackungsmüll als aus Kaffee besteht. Aber es gibt in unserem reichen Land noch immer genügend Menschen, für die es schnell zu viel ist, wenn aus ein paar Cent am Ende des Monats so viele Euro werden, dass man erst recht auf Schnäppchen-Angebote wie Fleisch zum Super-Niedrig-Discount-Preis zurückgreift.

Es ist letztlich ein Fakt: wenn man Umweltschutz und Tierwohl verbessern will, dann muss man das direkt regeln, auch mit stärkeren Tierschutzgesetzen. Hinzu kommt, dass jährlich mehr als sechs Milliarden Euro an Subventionen in die deutsche Landwirtschaft fließen. Diese werden in erster Linie nach Größe der Betriebe ausgezahlt. Warum wird die Zahlung von Subventionen nicht stärker an tiergerechte Haltung und nachhaltigen Ackerbau gebunden? Das ist jedoch nicht Teil der aktuellen Debatte.

Man muss an den Lebensbedingungen der Nutztiere etwas ändern und nicht versuchen von hinten durch die Brust am Endpreis rum zu schrauben in der Hoffnung dass es sich einige dann nicht mehr leisten können. Dann würden die Preise zwar durch steigende Erzeugerkosten auch steigen, aber man hätte das vorgeschobene Ziel tatsächlich erreicht.

Darum wäre es auch wichtig, die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Billige Lebensmittel werden oft nur gekauft, weil der Geldbeutel zu schmal ist. Deshalb müssen Löhne, Renten und Transferleistungen wie das Kindergeld steigen. Denn wie hat die Chemnitzer Band Kraftklub schon gesungen: „Mit 390 Euro Hartz kommt man nicht weit im Biomarkt“!

So ist es ein bisschen ein typisch grüner Vorschlag. Wenn man es sich leisten kann, fühlt man sich gut und hat das Gefühl etwas für die Umwelt zu tun. In Wahrheit hat man die Ursache für die Missstände, die Marktübermacht von Schlacht- und Einzelhandelskonzernen, das Profitstreben auf dem Rücken der Tiere nicht angerührt und den sozialen Aspekt völlig ausgeklammert.