Sachsen als Heimat für Fachkräfte...?!?
Mai 24, 2019
(Rede in der Landtagssitzung vom 24. Mai 2019)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete,
Wenn man als - wie wir eben gehört haben selbsternannter Heimatminister - auf einer der letzten Sitzungen einer Legislatur eine Fachregierungserklärung abgibt, dann wählt man das Thema sicherlich bewusst.
Man ergreift das große Podium auch um kurz vor Ende der eigenen Amtszeit Bilanz zu ziehen und klar zu machen, welches Thema ein besonderes Gewicht in der zurückliegenden Amtszeit hatte. Sie, Herr Minister Dulig haben sich dann für einen Rundumschlag „129 Jahre SPD“ entschieden. Es hatte also durchaus seinen Grund, dass sie den Landtagsfraktionen den Wortlaut ihrer Fachregierungserklärung entgegen den parlamentarischen Gepflogenheiten nicht im Vorfeld zur Verfügung gestellt haben um darauf zu reagieren. Ihre Fachregierungserklärung war schlicht keine.
Aber im Gegensatz zu ihnen möchte ich doch gern zum eigentlich angekündigten Thema der Fachkräftesicherung sprechen, denn die Frage ist tatsächlich essentiell. Sie entscheidet im Großen über die volkswirtschaftliche Entwicklung im Freistaat und sie entscheidet im Kleinen, über die Zukunft von Unternehmen. Wenn auf mittlere Frist im Freistaat rund 328.000 Fachkräfte fehlen werden, dann zieht sich das durch sämtliche Bereiche.
Aber irgendwie, sie haben es sicher auch schon selbst bei der gestrigen Medienberichterstattung dazu gemerkt, die Strategie wurde zwar mit grundsätzlichem Wohlwollen zur Kenntnis genommen, wirkliche Euphorie, dass hier ein innovatives Zukunftswerk vorliegen würde, hat sich jedoch nicht eingestellt. Und ich muss sagen mir geht es ähnlich.
Im Vorwort der Fachkräftestrategie kann man lesen, dass es nicht darum ging alles über den Haufen zu werfen, sondern im breiten Austausch mit den Partnern der Fachkräfteallianz und weiteren Wirtschafts- und Arbeitsmarktakteuren über die vor uns liegenden Herausforderungen zu debattieren und die 2012 noch vom damaligen FDP-Wirtschaftsminister Morlok vorgelegte Fachkräftestrategie 2020 weiter zu entwickeln.
Dabei war es im Grundsatz richtig, Herr Staatsminister Dulig, nicht wie ihr Vorgänger die Arbeitsmarktakteure erst im Nachgang um ihre Stellungnahme zu bitten, sondern von Anfang an an den Tisch geholt haben. Und wie das so ist, Papieren die im Diskurs weiter entwickelt werden wohnt der Hang inne länger zu werden. Das ist auch hier geschehen. Kam die alte Strategie mit 28 Seiten aus, so haben sie Herr Dulig uns inklusive Anhang und Grafiken den fünffachen Seitenumfang vorgelegt. Diese Ausführlichkeit hat insbesondere in der Analyse geholfen einiges zu schärfen, aber dennoch kommt einem auch vieles bekannt vor.
Die vor uns liegenden Herausforderungen fanden sich – wenn auch stark verknappt – bereits in der alten Strategie. Auch die abgeleiteten Handlungsfelder sind teilweise bereits im Morlok-Papier enthalten gewesen:
Zum ersten Fachkräfte ausbilden und so Potentiale entwickeln.
Zum zweiten vorhandene Potentiale ausschöpfen in dem allen Erwerbspersonen der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird und
Zum dritten gezielt Fachkräfte von außerhalb nach Sachsen holen.
Auch die als Konsequenzen dazu vorgesehenen Maßnahmen kommen einem in weiten Teilen bekannt vor. Nun kann man das auf zwei Arten interpretieren. Zum einen scheint in der alten Strategie jenseits des neoliberalen Grundtenors nicht nur Falsches gestanden zu haben.
Zum anderen muss sich die Staatsregierung allerdings auch fragen lassen, was man denn in den letzten Jahren alles getan hat oder eben nicht, wenn die Aufgaben teilweise bis ins Detail im Jahre 2019 noch genau so stehen wie bereits 2012? Vieles was sie heute wieder als ihre Ziele benannt haben, hatten sie auch schon bei ihrer Amtseinführung 2014 benannt.
Oder um es zugespitzter zu formulieren: wenn es im Bereich der Fachkräftesicherung das Endergebnis des zuständigen Ministers nach fast fünfjähriger Arbeit ist, ein viertel Jahr vor Ende der Amtszeit ein 140 seitiges Maßnahmenpapier vorzulegen, mit Kernaufgaben die seit Jahren bekannt sind und auf dessen praktische Umsetzung er vielleicht gar keinen Einfluss mehr haben wird, dann ist das nicht wirklich beeindruckend.
Zumal hinzukommt: vor sieben Jahren war der Fachkräftemangel abgesehen von einzelnen Branchen ein Zukunftsszenario. In Ihrer Amtszeit Herr Dulig ist er vielerorts zum greifbaren Problem geworden. Nun sind sie zwar zugegebener Maßen nicht für die demographische Entwicklung in Sachsen verantwortlich, es ist ihnen jedoch auch nach fast fünf Jahren im Amt nicht gelungen, eine wirksame Gegenstrategie hierzu praktisch zu implementieren.
Im Gegenteil, Sie haben fast eine gesamte Legislaturperiode benötigt um eine Strategie überhaupt weiter zu entwickeln und durch das Kabinett zu bringen.
Aber man will ja nicht nur meckern. Darum will ich nicht verhehlen, dass es auch einen wichtigen inhaltlichen Unterschied zum Ansatz der Vorgängerregierung gibt, für die Herr Dulig ich Ihnen durchaus dankbar bin. Ging die alte Strategie noch von der absurden Annahme aus, dass eine Deregulierung des Arbeitsmarktes dazu führen würde ein Mehr an Arbeitskräften zu generieren, beschreibt die neue Strategie die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen und einer ordentlichen Entlohnung.
Allerdings wo Licht ist, ist auch Schatten, klaffen hier doch ihr selbst formulierter Anspruch und die Realität ziemlich weit auseinander. Dazu jedoch später mehr. Schauen wir uns zunächst im Fokus die Punkte an, die laut Strategie in den unmittelbaren Aufgabenbereich der Staatsregierung fallen sollen – und wo nach wie vor vieles im Argen liegt, obwohl es doch eigentlich seit langem selbstverständlich sein sollte.
Wenn als strategisches Ziel formuliert ist, dass sächsische Schüler individuell gefördert werden und einen qualifizierten Abschluss erreichen sollen, dann tritt die Staatregierung trotz Verbeamtung und Quereinsteigern im praktischen Resultat auf der Stelle.
Die nach wie vor unzureichende Ausstattung mit Schulsozialarbeitern wird in der Strategie euphemistisch mit der Notwendigkeit einer dynamisierten Finanzierung umschrieben.
Der Unterrichtsausfall erreichte im letzten Schulhalbjahr mit über fünf Prozent des Regelunterrichts einen neuen landesweiten Rekordwert.
Sollte nach der alten Strategie der Anteil derer die die Schule ohne jeden Abschluss verlassen von neun Prozent auf unter fünf gesenkt werden, liegt er aktuell noch immer bei über acht Prozent. Ziel ist nun wenigstens den bundesdeutschen Durchschnitt zu erreichen. Nach einer wirklichen Bildungsoffensive klingt das nicht!
Wenn unter dem Schlagwort der bedarfsgerechten Ergänzung des schulischen Regelangebotes besonders das „produktive Lernen“ hervorgehoben wird, dann frage ich mich, warum dieses seit zehn Jahren im Stadium des Schulversuches verharrt und nach wie vor nicht einmal in allen Regionen Sachsens angeboten wird?
Wenn als strategisches Ziel formuliert ist, die Berufsorientierung in Schulen zu stärken, eine Forderung die richtig ist, die wir im Landtag seit Jahren diskutieren, die auch die Kammern seit Jahren immer wieder fordern und die sich bereits in der Fachkräftestrategie 2020 fand, dann frage ich mich, warum es nach wie vor weder verbindliche Standards für die Berufsorientierung gibt, noch überhaupt alle Schulen ein verbindliches Berufsorientierungskonzept haben?
Doch sehen wir weiter: sie wollen die duale Berufsausbildung stärken. Das ist ebenfalls richtig, nur dazu müssen sie auch die Voraussetzungen schaffen.
Mit der zentralen Berufsschulnetzplanung ist es in Sachsen aber ein bisschen wie mit Yeti oder Bigfoot – sie spukt als Legende durch den Raum, viele reden drüber, aber wirklich gesehen hat sie noch niemand. Da haben wir über das Fehlen von Berufsschullehrern noch gar nicht gesprochen.
Wenn die Staatsregierung weiter darauf beharrt, dass diese ausschließlich zentral an der TU Dresden ausgebildet werden, so ist das falsch! Sich mit der Begründung die Studienplätze seien bei weitem nicht ausgelastet beharrlich zu weigern über eine dezentrale Ausbildung nachzudenken, lässt schlicht außer Acht, dass derzeit jemand sehr viel Idealismus mitbringen muss um sich dafür zu entscheidet wenn er Ausbildungsdauer und Karriereoptionen vergleicht. Hier sind ein grundsätzlicher Neuansatz und ein entschieden offensiveres Vorgehen gefragt.
Meine Damen und Herren, lassen sie mich im zweiten Teil meiner Rede den Fokus etwas weiten und weg von den aktuellen Versäumnissen der Staatsregierung zu grundsätzlicheren Fragen kommen.
Wir haben es heute schon mehrfach gesagt, bis 2030 werden wenn man sich die demographische Entwicklung im Freistaat anschaut rund 328.000 Erwerbspersonen fehlen. Ich denke jedem ist klar, dass man diese Lücke letztlich nur schließen kann, wenn Menschen von außerhalb ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt nach Sachsen verlegen.
Da stellt sich ganz grundsätzlich die Frage wie attraktiv Sachsen als Lebens- und Arbeitsort sowohl immer internationalen, aber auch im innerdeutschen Vergleich ist. Wenn Menschen ganz gleich von wo her nach Sachsen kommen sollen, dann brauchen Sie hier eine öffentliche und soziale Infrastruktur die Grundlage von Lebensqualität ist. Strahlkraft und gesellschaftliches Miteinander basieren nicht auf leeren Standortkampagnen wie „So geht sächsisch“.
Sie hängen mit realen Strukturen zusammen, die Menschen miteinander verbinden, die Gemeinsamkeiten stiften und die letztlich sogar dafür entscheidend sind, welche Haltung Menschen zu Sachsen als staatlichem Gemeinwesen entwickeln.
Das Gefühl von Sicherheit, das Gefühl, dass die Zukunft offen ist und dass sich das eigene Leben planen lässt, sind eng verwoben damit, ob die Kinderbetreuung vorhanden und bezahlbar ist. Es ist damit verbunden, ob die Entfernung zum nächsten Krankenhaus oder zum Arzt nicht selbst ein Gesundheitsrisiko ist; ob es einen Ort für Austausch gibt und für Jugendlichen Freiräume sich auszuprobieren; ob der Gang aufs Amt oder zum Einkaufen nur mit Auto geht, oder auch ein Zug oder Bus kommt.
Eine Zukunft in einer Region können sich Menschen immer dann vorstellen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Region selbst eine Zukunft hat. Und nur eine solche Region kann auch nach außen ausstrahlen und Menschen anziehen. Dazu ist es grundsätzlich notwendig den Rückbau und Investitionsstau bei der sozialen und technischen Infrastruktur der vergangenen Jahrzehnte umzukehren!
Wenn in der Fachkräftestrategie für Teile des ländlichen Raums eine besonders problematische Situation geschildert wird, die wegen anhaltender Abwanderung junger Menschen überproportional von Alterung und Bevölkerungsrückgang betroffen sind, dann hat das auch damit zu tun.
Wenn die Fachkräftestrategie richtigerweise von den Veränderungen spricht die die Digitalisierung mit sich bringt, dass die Zukunft eine vernetzte Wissensgesellschaft sein wird, die auch die räumliche Verteilung der Wirtschaftsleistung verändern wird, dann ist das wahr.
Man kann auch Teil eines kreativen Netzwerkes sein wenn man nicht in Berlin oder Leipzig, sondern in Bad Brambach oder Bad Muskau lebt. Voraussetzung ist allerdings eine leistungsfähige digitale Infrastruktur und damit meine ich nicht das wegen der unmittelbaren Grenzlage anliegende tschechische oder polnische Netz.
Wir alle kennen den zähen Prozess den Sachsen gerade durchläuft um beim Thema digitale Infrastruktur zumindest zum bundesdeutschen Standard aufzuholen, der ja auch nicht wirklich Weltspitze ist. Das ist auch Folge einer Politik die jahrelang auf veraltete Technologien und einen rein marktgesteuerten Ausbau durch private Anbieter setzte.
Wenn die Staatsregierung regelmäßig die Bedeutung von Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren und das Internet der Dinge und beschwört, dies gar als die entscheidende Chance für die Zukunft des Freistaates beschreibt, dann muss man sich auch klar machen, dass 5G und die dafür notwendigen Netze noch gar nicht existieren! Allein um die bestehende Mobilfunkabdeckung zu wahren, müssen abseits der Großstädte dazu perspektivisch hunderte neue Masten gesetzt und angeschlossen werden. Da ist von einer Schließung von Funklöchern oder gar einer flächendeckenden Abdeckung noch längst nicht die Rede.
Wenn Sachsen hier wiederum auf den Markt setzt und nicht zeitnah eine Landesgesellschaft gründet um strategisch wichtige Infrastruktur zu errichten, dann werden wir in fünf Jahren die gleichen Debatten von vor fünf Jahren wieder führen und beklagen dass der Freistaat erneut bundesweites Schlusslicht ist.
Ob das hilft, dass Sachsen nach außen ausstrahlt, auch außerhalb der Ballungszentren eine attraktive Region mit Zukunft zu sein? Ich fürchte nein.
Und auch wenn ich mich jetzt hier wiederhole: aber wenn in der Fachkräftestrategie für Teile des ländlichen Raums eine besonders problematische demographische Situation geschildert wird, dann hat das auch damit zu tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wenn die Erkenntnis reift, dass Sachsen seinen Fachkräftebedarf auf mittlere Sicht schon aus rein demographischen Gründen auch von außen decken muss, dann stellt sich die Frage von woher. Und an die Abgeordneten der AfD gewandt: auch wenn das für sie ein Horrorszenario ist, aber das werden nicht nur nationalkonservative Bio-Deutsche, ja wahrscheinlich nicht einmal nur Europäer sein, ist doch die demographische Entwicklung im ganzen Kontinent ähnlich wie hierzulande.
Wenn Sachsen international inzwischen vor allem dadurch Bekanntheit erlangt hat, dass wie erst vor wenigen Wochen in Plauen Rechtsextreme ungehindert in vollem Ornat durch die Straßen marschieren ohne das die lokalen Behörden willens oder in der Lage sind dagegen etwas zu unternehmen oder wenn wie letztes Jahr in Chemnitz über Monate hinweg eine selbsternannte Bürgerinitiative nahezu jeden Montag die Innenstadt lahmlegte, zu Selbstjustiz und Jagd auf alles Fremde aufrief und die sächsische Polizei tatenlos daneben stand, dann sind das Bilder die im wahrsten Sinne des Wortes um die Welt gehen.
Und wenn die AfD im Landtag das nicht nur immer wieder relativiert, sondern sich sogar heimlich darüber freut, ist man doch des gleichen Geistes Kind, und auch im Plenum keine Gelegenheit auslässt selbst gegen Zugewanderte zu hetzen, dann wird klar, dass sie allenfalls in ihrer verschobenen Weltwahrnehmung eine Alternative für was auch immer sind.
In der Realität sind sie eine Gefahr für die künftige Entwicklung Sachsens. Gerade gut ausgebildete Fachkräfte nehmen sehr wohl war wie das Klima in einem Land ist ehe sie sich entscheiden dort eine neue Zukunft für sich und ihre Familie aufzubauen.
Aber meine Damen und Herren, lassen sie uns noch zu einem anderen Thema kommen.
Auch das ist entscheidend, ob Sachsen eine attraktive Heimat für Fachkräfte ist. Und auch hier bekleckert sich der Freistaat nicht mit Ruhm.
In keinem anderen deutschen Bundesland haben so viele Beschäftigte keinen ordentlichen Tarifvertrag. In der Folge liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten in Sachsen um zwei Stunden über dem Schnitt der Westländer und immer noch um eine Stunde über dem Ostdeutschen Durchschnitt.
Im Gegenzug dafür sind die Löhne in Sachsen nicht nur deutlich unter dem Bundesschnitt, sondern wenn man gleich große Betriebe aus gleichen Branchen miteinander vergleicht auch um fünf Prozent unter dem Niveau der anderen ostdeutschen Länder. Das Sachsen auf den ersten Blick bei den Durchschnittslöhne im ostdeutschen Vergleich besser abschneidet, liegt lediglich an der günstigeren Wirtschaftsstruktur.
Wenn man sich dann wie in der Strategie des Ministers fragt, warum jedes Jahr mehr Hochschulabsolventen Sachsen verlassen, als Akademiker neu zuziehen, dann hat das auch mit der Attraktivität von Arbeitsbedingungen zu tun. Denn kurz gesagt: Sachsen hat bundesweit die geringste Tarifbindung, die längsten Arbeitszeiten und die niedrigsten Löhne.
Das nenne ich doch mal einen Standortvorteil! Das dachten sich auch lange Zeit CDU und FDP – die hatten das nur leider nicht ironisch gemeint.
In der Morlokschen-Fachkräftestrategie, die ja beim Wirtschaftsministerium noch bis vor kurzem als offizielle Broschüre runter zu laden war, war Deregulierung und Senkung der verbindlichen Arbeitsstandards noch Teil des Paketes mit dem man Fachkräfte anlocken wollte.
Und so ganz ist das aus Teilen der CDU immer noch nicht verschwunden. Wenn Ministerpräsident Kretschmer vor einem Jahr kurz über Sonderwirtschaftszonen in der Lausitz philosophierte, dann meinte das ja in der praktischen Konsequenz nichts anderes.
Herr Staatsminister Dulig, sie sind vor viereinhalb Jahren begrüßenswerter Weise angetreten das zu ändern. Das findet sich auch in ihrer nun vorgelegten Strategie. Ich hatte es eingangs bereits gesagt. Sie wollten zu Beginn ihrer Amtszeit die Tarifbindung stärken. „Gute Arbeit“ war eines ihrer Kernvorhaben, an dem sie gemessen werden wollten.
Hier sind sie allerdings - und ich denke dass wissen sie selbst - klar gescheitert!
In Ihrer Amtszeit hat die Tarifbindung im Freistaat einen neuen Tiefstand erreicht. Und wenn Sie einwenden, dass sei ja Sache der Tarifparteien dann ist das nur ein Teil der Wahrheit, denn auch wo sie hätten etwas bewegen können, ist nichts geschehen. Denn komplett ohne Einfluss auf die Tarifbindung ist der Freistaat nicht.
Wie kann es sein, dass es in Sachsen nach wie vor Landesunternehmen oder Unternehmen mit Landesbeteiligung wie die Leipziger Messe oder die Sächsische Dampfschifffahrt gibt, die ohne Tarifvertrag sind?
Wieso nimmt Sachsen im Hinblick auf die Nutzung des Instruments der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen eine absolute Sonderstellung ein? Nach Auskunft ihres eigenen Hauses Herr Minister Dulig ist lediglich der Tarifvertrag des Friseurhandwerkes von 2004 allgemeinverbindlich; und das obwohl sie ja selbst auf Podien gern die zurückgehende Tarifbindung beklagen!
Wieso haben sie – trotz dass es im Koalitionsvertrag sogar festgeschrieben wurde – hingenommen, dass es kein neues Vergabegesetz gibt? In Sachsen wurden nach dem letzten Vergabebericht in den Jahren 2015 / 2016 allein von den unmittelbaren Landesbehörden öffentliche Aufträge in Höhe von 1,4 Milliarden Euro ausgelöst. Ein neues Vergabegesetz wonach die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand künftig stärker an Tarifverträge und Mindestlöhne, an die Gleichstellung von Leiharbeitskräften und die Berücksichtigung umweltbezogener Aspekte gebunden sein soll haben sie nicht nur nicht auf den Weg gebracht, sondern Vorstöße von Linken oder Grünen dazu sogar abgelehnt.
Gleiches gilt für die von Ihnen selbst benannte Bildungsfreistellung. Auch hier haben sie entgegen vollmundiger Ankündigungen nichts unternommen.
Meine Damen und Herren, sie sehen die Aufgaben sind noch groß. Als abschließendes Fazit bleibt vielleicht am ehesten der Kommentar aus der Sächsischen Zeitung von gestern: „Wer Strategiepläne mag, kann sich freuen“. Nun muss es pünktlich zum Ende ihrer Amtszeit nur noch losgehen Herr Dulig. Denn wie die IHK auf ihrer Pressekonferenz am Mittwoch einräumt: „Mit der Umsetzung stehen wir noch ganz am Anfang…“